(Maines Inselwelt für Seekajaker)
von Reinhard Zollitsch
Januar 2005
Kurz vor der kanadischen Grenze, in der Nordostecke der USA, liegt der kleine Staat Maine (etwas größer als Bayern). Vor etwa 11000 Jahren kam er aus dem Eis, und hat bis heute sein glaziales Ansehen bewahrt, so etwa wie die schwedische Schärenlandschaft. Es leben dort etwa 1Million Menschen, in ein paar Städten und Dörfern, meist entlang der Atlantikküste, die genau gemessen etwa 7309 km lang ist. Mit einem kleinen Flugzeug sind es aber nur kaum 352 km von Kittery nach Calais oder Lubec.
Perkins Cove
Es gibt also viele Buchten und tief ins Land einschneidende Fjorde und Arme, und dazu etwa 4617 Inseln, mit einer Küstenlinie von weiteren 3954 km (zusammen also 11263 km Küste!). Von den Inseln sind aber nur 170 bewohnt, meist aber auch nur im Sommer. Der größte Teil des Landes besteht aus Wäldern, Seen und Flüssen, wo in den Ferienmonaten, besonders aber im Mai und Juni, die Stechmücken und kleinen beißenden “blackflies” regieren. Wenden wir uns also wieder der Küste zu, die nach den Frühjahrsstürmen und dem Nebel, so im Juli, wieder freundlicher und auch etwas wärmer wird. Adriatisch warm wird es hier aber nie. Das Wasser ist kaum zum längeren Schwimmen geeignet. Aber wer will das auch schon, wenn man in einem Seekajak sitzt.
42 Jahre habe ich nur wenigen Leuten von unseren Segel- und Seekajak Möglichkeiten erzählt, weil ich am liebsten immer allein irgendwo auf einer Insel mein Zelt aufschlage und einen sauberen, menschenleeren Horizont vorziehe. Nach meiner 2002 Ostseefahrt im offenen Kanu von der dänischen zur polnischen Grenze (siehe KANU-SPORT, Aug. 2003), wurde ich öfters gefragt, wo ich denn so zu Hause in Maine paddeln gehe. Hier also ist mein Gegengeschenk: Brauchbare Seekajak Information für Fortgeschrittene.
Der erste “Küstenwasserpfad” für Kleinboote in den USA
Offenes Wasser, zudem echt kalt, ist einfach nicht für Anfänger, obwohl diese auch in den geschützteren Buchten nette Ausflüge machen können. Ich bin Streckenpaddler und bin meistens eine, zwei oder drei Wochen unterwegs, voll proviantiert. Nur meine zwei zehn Liter Wasserbehälter müssen gelegentlich aufgefüllt werden. Tourenseekajaks sind ideal für unsere Küste und können von verschiedenen Outfitters geliehen werden. Wenn gewünscht, kann die ganze Fahrt samt Führung sogar von ihnen geplant werden (siehe Information im Anhang).
Das ist vielleicht gar keine schlechte Idee, wenn man das erste Mal in einer fremden Gegend paddelt. Hoffentlich ist der Outfitter Mitglied der Maine Island Trail Association (siehe Info), und hat somit Zugang zu den 124 Lande- und Campingplätzen entlang des 520 km langen “Island Trail” (Inselpfad) von Portland nach Machias. Diese “sites” sind oft nur für ein oder zwei Zelte, so einfach in der Natur, ohne Trinkwasser und Klo, und ohne Lagerfeuer, für echte Öko-Minimalisten, wie mich, mit dem Motto: Carry in - carry out; leave no trace. Wer das nicht kann, gehört hier nicht hin - tut mir leid. Maine ist Ferien-, aber nicht Disneyland.
Die MITA wurde 1988 gegründet mit dem Ziel, die Inselwelt Maines Kleinbootern zugänglich zu machen und zugleich in ihrem Naturzustand zu schützen. Eine schwierige Aufgabe, die aber von den fast 3500 Mitgliedern erfolgreich gemeistert wurde und jetzt Vorbild für weitere “Küstenwasserpfade” in anderen US Staaten und Kanada ist. Dazu gehört ein umfangreiches “stewardship” Programm, in dem Individuen oder Gruppen für gewisse Küstenstrecken und Inseln verantwortlich sind, die “sites” mit scharfem Öko-Auge unterhalten und unentwegt aufräumen, so dass jeder neue Besucher ein echtes Naturerlebnis hat. Für $ 45 im Jahr wird man Mitglied und bekommt ein dickes Fahrtenbuch mit allen nötigen Angaben zum “trail”, sowie Info über Land und Leute, Flora und Fauna sowie die Geschichte der Inseln und des Landes überhaupt. Mit der Mitgliedskarte in der Hand kann man auch auf vielen Privatinseln in einer designierten Ecke für MITA Mitglieder übernachten; alles immer kostenlos - einfach toll!
Start der Reise (3 Kajakgebiete zur Auswahl)
Also, wo geht’s los? Das einfachste für euch wäre mit zwei Seesäcken voll Campingsachen mit dem Flugzeug in Portland, Maine zu landen und von einem Bootsverleiher dort mit Boot auf dem Autodach abgeholt zu werden. Bei einem Supermarkt macht man letzte Einkäufe und füllt die Wasserbehälter bei der Einsatzstelle an der Portland Promenade. Die große Casco Bucht mit seinen vielen Inseln und tiefen Einschnitten ins Land (siehe Karte) wäre ein großartiges erstes Ziel für eine Woche oder so.
Plan zwei wäre die noch größere Penobscot Bucht mit den Segelschonerhäfen Camden und Rockland sowie die mehr abgelegene Inselwelt südlich von Deer Isle. Ankunftsziel wäre dann der Flughafen Bangor, Maine. Penobscot Bay ist ein sehr ergiebiges Gebiet mit kühler Touristik, aber auch Einsamkeit auf den kleinen Inseln. Echte Experten können sich auch zur Insel Monhegan oder um Isle Au Haut versuchen. Aber da muss man schon Erfahrung auf dem offenen Atlantik haben - Vorsicht!
Typische, kleine Granitinsel
Das dritte Seekajak Gebiet, und vielleicht das populärste, ist die Gegend um Mount Desert Island, auf der der Acadia Nationalpark ist . Es ist nicht weit vom Penobscot Bay. Man könnte die zwei Gebiete auch gut verbinden. In beiden Fällen kommt man in Bangor an. Von da sind es nur kaum 100 km zur Küste.
Bass Harbor Light, MDI
In Bar Harbor ist im Sommer viel los. Da kann man echt gut Ferien machen, gut wandern und Mountainbike fahren, Wale und Seehunde sehen und natürlich gut essen. Hummer und “blueberry pie” (Blaubeerkuchen) sind in Maine besonders gut . Und wenn einem der Touristenrummel zu bunt wird, kann man mit der Katamaranschnellfähre mal kurz in zweieinhalb Stunden über den Bay of Fundy nach Nova Scotia, Kanada, fahren.
Bei der Insel Petit Manan hört der Tourismus auf dem Wasser plötzlich auf. Es gibt mehr Nebel, auch im Sommer, und die Flut steigt von 3m in Portland auf 6m in Eastport. Als Kajaker muss man das schon einplanen. Aber das kann auch interessant sein. Ich ziehe mich gewöhnlich in den Sommermonaten auf dieses Gebiet oder Kanada zurück und kann da immer noch ganz allein paddeln, wenn ich will, und mein Zelt aufschlagen.
Sonnenaufgang an der kanadischen Grenze
Die ganze Küste hoch
1996 habe ich den gesamten Maine Island Trail (520 km) zum ersten Mal gepaddelt, damals noch mit einem 16 Fuß (4,80 m) offenen Wildwasserrennkanadier von Wenonah, weil ich nichts Besseres hatte.
Seit 1997 paddel ich aber ein Verlen Kruger SEA WIND Seekanu (siehe Info und Bild), das wie ein Kajak aussieht, gedeckt ist und ein Steuer sowie Spritzdecke hat. Ich sitze nur etwas höher als in einem Kajak und paddel nur mit einem “halben Paddel”, einem 12 Grad verkanteten, 312 Gramm schweren Kohlefaser Kanumarathon Rennpaddel von Zaveral (siehe Info).
Dieses Paddel ist äußerst gelenkfreundlich, und ich kann damit stundenlang und mühelos paddeln. 1999 bin ich damit solo 1000 Meilen (1600 km) den St. Lawrence runter und um die Gaspé Halbinsel (Kanada) gepaddelt; in den letzten zwei Sommern in je 18 Tagen um Nova Scotia (Kanada) herum (720 km und 611 km). Aber jeder paddelt am besten das Boot, an das er gewöhnt ist. Prijon Boote und englische Nordkaps gibt’s hier auch, dazu natürlich viele seetüchtige amerikanische Boote.
Jetzt geht’s los
Also, wie wär’s? Sehen wir uns mal an meiner Küste in Maine? Für mich war die Fahrt von Flensburg nach Ahlbeck ein alter Jugendtraum, und ich bin echt stolz darauf, die Fahrt doch noch und sehr erfolgreich gemacht zu haben, auch wenn einige von euch glaubten, der Kerl sei total verrückt, so etwas in einem offenen Kanadier zu machen. (Hier denken einige Leute das übrigens auch, wenn sie hören, Reinhard ist allein in einem Seekanadier um Nova Scotia gepaddelt.) Na ja, so etwas muss eben sorgfältig geplant und durchgezogen werden. Und wenn ihr mal rüberkommen wollt, kann die MITA zusammen mit einem Maine Outfitter auch euch mit euren Plänen für Maines Inselwelt sehr behilflich sein.
Tschüs!
Reinhard
Information:
http://mita.org (Maine Island Trail Association, Rockland/Portland, Maine); click on:
1. About MITA: (Wer sie sind und was sie wollen - Mission Statement)
2. Traveling the Trail: (Überblick über den Maine Island Trail)
Dann: Trip Planning Recommendations; click on: West- oder Hamilton Marine für Seekarten und United States Coast Pilot (Atlantic Coast) von NOAA;
VHF Radio Telefon mit Wetterstation (24-Stunden, gebührenfreie, ausgezeichnete Seewetterberichte (ein einfaches $ 20 Wetterradio genügt vielleicht auch); DeLorme Atlas and Gazetteer (genauester Atlas von Maine mit Einsetzstellen, usw.); Bootsausrüstung (Schwimmweste ist küstenpolizeilich vorgeschrieben)
3. Resources: (Wichtige Info für die Küste Maines und Liste der Kajakoutfitters in Maine, usw.)
Info Bücher für Seekajaker (siehe auch bei mita.org):
D. Miller: Kayaking the Maine Coast.
S.Johnson/V.Smith: Guide to Sea Kayaking in Maine.
T. Venn: Sea Kayaking along the New England Coast.
Maine: Wilde Küste und Indianersommer . Verlag Bucher, München, 1996.
Philip W. Conkling: Islands in Time. A Natural and Cultural History of the Islands of the Gulf of Maine. Camden, Maine, 1999.
http://www.krugercanoes.com : RZs SEA WIND Seekanu
http://www.zre.com : RZs Kohlefaser Kanumarathon Rennpaddel von Zaveral
Karten:
1. Die Küste Maines - meine 2006 Solofahrt
Die Karte anklicken zur Vergrößerung
© Reinhard Zollitsch
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